Assistierte Reproduktion

Geschätzt leiden in Mitteleuropa bis zu 1/5 der Kinderwunschpaare an einer Sub- oder Infertilität. Die Infertilitätsursache(n) können dabei beim Mann, bei der Frau oder bei beiden Partnern liegen. Die grundlegenden Ursachen können dabei geradezu vielfältig sein.

Die Reproduktionsmedizin umfasst aber mittlerweile eine fast unübersichtliche Vielzahl an Methoden, Verfahren und Therapieansätzen, um dem Kinderwunsch medizinisch nachzuhelfen oder zu unterstützen.

Gerade in den letzten Jahren hat sich die klinische Forschung in einem atemberaubenden Tempo weiterentwickelt. Dabei hat sich das biomedizinische Wissen rasant vermehrt und sich die Reproduktionsmedizin rapide weiterentwickelt. Dadurch hat sich das Verständnis rund um die Erkennung und Behandlung verschiedener Fehlfunktionen und Erkrankungen massgeblich verbessert. Mittlerweile ist es damit sogar möglich auch Kinderwunschpaaren zu helfen, die von schwerer Infertilität betroffen sind und vor einigen Jahren noch kinderlos geblieben wären. Stetig überwindet die Reproduktionsmedizin weitere Grenzen. Die moderne Reproduktionsmedizin ist mittlerweile weitaus mehr als die klassische IVF und ist ein überaus interdisziplinär ausgerichtetes Fachgebiet und erstreckt sich neben der Gynäkologie und der Andrologie auch in die Genetik, die Endokrinologie, die Urologie und sogar in die Chirurgie.

Infertilität

Infertilität oder Unfruchtbarkeit bezeichnet das Unvermögen, ein Kind zu zeugen bzw. zu empfangen. Nach der Definition der WHO liegt eine Infertilität vor, wenn nach 1 Jahr trotz regelmäßigen, ungeschützten Geschlechtsverkehrs zu optimalen Zeitpunkten keine Schwangerschaft entsteht.

Mögliche Ursachen einer Infertilität:

Weibliche Infertilitätsgründe

Männliche Infertilitätsgründe

Reproduktionsmedizinische Massnahmen- Routine und Normalität

Die menschliche Fortpflanzung ist, anders als man es vielleicht vermuten möchte hochgradig komplex. Dies bringt auch eine gewisse Störanfälligkeit mit sich. Auf verschiedensten Ebenen können dabei Fertilitätsprobleme auftreten.

Bei Frauen kann eine Infertilität endokrin, zervikal oder uterin bedingt sein.

 Bei Mann kann eine Unfruchtbarkeit ebenso endokrine Ursachen vorliegen (etwa hormonelle Störungen, die die Bildung von Spermien negativ beeinflussen oder deren Befruchtungsfähigkeit beeinträchtigen). Daneben können auch hodenbezogene (testikuläre) (z.B. Orchitis, Kryptorchismus, usw.) und post-testikuläre Gründe (wie etwa Verstopfung der Samenleiter, Samenwegsinfektionen, Impotenz, retrograde Ejakulation, vorliegen.

Ein Spermienfaktor (eingeschränkte Motilität, Morphologie oder Konzentration der Spermien) kann ebenso Grund für das Nichteintreten einer Schwangerschaft sein.

Auch nach einer Fertilisierung (Befruchtung) ist die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft und eine Geburt nicht garantiert. Auch Einnistungsstörungen und Fehlgeburten können eine Schwangerschaft vorzeitig beenden.

Nach einem 2023 erschienen WHO-Bericht ist zumindest jeder sechste weltweit zumindest zeitweise von Unfruchtbarkeit betroffen. Dies führt zu Leid, Beeinträchtigung des psychosozialen Wohlbefindens und leider immer noch oft zu Stigmatisierung.

Die gute Nachricht: Seit der Geburt des ersten IVF-Kindes in Jahr 1979 konnten durch In vitro Fertilisationstechniken mehr als 12 Mio. Babys das Licht der Welt erblicken (Stand 2023). Im Schnitt zwischen 3-5% der Neugeborenen in den heutigen Industrieländern wurden mit Hilfe der IVF oder ICSI gezeugt – Tendenz steigend. Übertragen bedeutet dies im Schnitt sitzt in jeder Schulklasse mindestens ein Kind, das mit künstlicher Befruchtung gezeugt worden ist. Dank Forschung, technischer Innovationen und modernster Therapien kann inzwischen auch Paaren geholfen werden, die von schwerer Infertilität betroffen sind und vor einigen Jahren ohne eine Perspektive kinderlos geblieben wären.

Wann sollte eine Reproduktionsmedizinische Massnahme in Betracht gezogen werden?

„Warum schon IVF? Vielleicht doch erst einmal abwarten. Wir haben doch Zeit oder etwa nicht?“

Viele Paare denken, dass sich nach dem Absetzen der „Pille“ oder dem Verzicht auf anderweitige Verhütungsmethoden unmittelbar eine Schwangerschaft einstellt. Dem ist aber (oft) nicht so. Nicht gleich schwanger zu werden ist erst einmal kein Grund zur Beunruhigung und einfach einmal abwarten und es weiter versuchen sicher nicht die verkehrteste Lösung.

Dennoch gilt es zwei Faktoren bei der Entscheidung zu einem weiteren Vorgehen zu berücksichtigen: Das weibliche Alter und die die Dauer der bisherigen Kinderlosigkeit. Ein höheres maternales Alter und eine bereits lange zurückliegender Zeitspanne ohne Konzeption trotz regelmäßigem Geschlechtsverkehr lassen die Chancen auf eine Spontankonzeption erheblich sinken. Gerade das weibliche Alter spielt hier eine essenzielle Rolle. Dies sei anhand der folgenden Abbildung nach einer 2012 veröffentlichten Studie verdeutlicht.

Eine 25-jährige Frau hat eine ca. 18%ige Chance innerhalb der nächsten 3 Monate spontan schwanger zu werden. Bei einer 35-jährigen liegen die Chancen in Schnitt noch bei 12%, bei der 40-jährigen noch bei 7%. Je länger die zurückliegende Periode einer nicht-erfolgten Schwangerschaft, desto geringer auch die Chancen in nächsten Zyklus schwanger zu werden.

Gerade ab Mitte Dreißig kommt hinzu, dass die ovarielle Reseve (Anlage der Eizellen im Eierstock) abnimmt.  Zudem lässt auch die Qualität der Eizellen nach. Die Wahrscheinlichkeit auf chromosomale Fehlverteilungen nehmen ab Mitte 30 stark zu -insbesondere nummerische Chromosomenaberrationen, sogenannte Aneuploidien. Nach einer Befruchtung entwickeln sich solche Eizellen oft nicht weiter und/oder enden in einer Fehlgeburt. Eingeschränkte Fertilitätsreserve als auch verminderte Eizellqualität lassen sich faktisch nicht durch reproduktionsmedizinische Maßnahmen ausgleichen (von einer Eizellspende abgesehen) und mindern die IVF-Erfolgschancen deutlich. Übertragen bedeutet dies für eine 40-jährige Patientin mit zurückliegender 6-monatiger Kinderlosigkeit nicht länger zuzuwarten. Umgekehrt bedeutet die aber auch für jüngere Patientinnen um oder unter 30, die auf eine bereits auf eine 24-monatige oder länger andauernde Kinderlosigkeit trotz regelmäßigem ungeschützten Geschlechtsverkehr zurück blicken, dass ein weiteres Abwarten wahrscheinlich keine Verbesserung der Situation bringt

Fehlgeburt / Aborte

Der Verlust einer Schwangerschaft an sich ist nicht unbedingt ein seltenes Ereignis. Im Schnitt ist jede Frau im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Die Wahrscheinlichkeit eines Abortes (Vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft) hängen neben vielen anderen Faktoren vom Alter der Frau und, insbesondere von der Schwangerschaftswoche ab. Gerade Frühschwangerschaften sind hiervon häufig betroffen. Bis zur 12. Schwangerschaftswocheliegt die Wahrscheinlichkeit eines Abortes zwischen 12 und 5% – sinkt danach aber rapide. Demgegenüber stellt ein Abort oder Fehlgeburt ein sehr belastendes und einschneidendes Erlebnis für das betroffene Paar und insbesondere für die betroffene Frau dar. Die emotionalen und nachfolgenden psychologische Auswirkungen müssen verarbeitet werden -nicht nur körperlich, sondern auch seelisch, um mit dem Erlebten zu Recht zu kommen. Für jede Frau, jedes Paar kann die Belastung dabei unterschiedlich schwer sein. Die emotionalen und nachfolgenden psychologische Auswirkungen hängen auch nachweislich mit dem Alter der Mutter, dem Gestationsalter bei Schwangerschaftsverlust und der Anzahl früherer Fehlgeburten zusammen. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, eine psychologische Beratung in Anspruch zu nehmen oder den Kontakt zu Selbsthilfegruppen zu suchen.

Habitueller Abort

Unter einem habituellen oder wiederkehrenden Abort (recurrent miscarriage =RM; RPL = recurrent pregnancy loss) wird im Allgemeinen das Auftreten von mehreren spontanen Fehlgeburten verstanden. Je nach Fachgesellschaft existieren unterschiedliche Auffassungenhinsichtlich der Kriterien eines habituellen Abortes. Schätzungen zufolge erleiden ~ 5 % aller Frauen zwei oder mehr Fehlgeburten weniger als 1 % erleiden möglicherweise 3 oder mehr Fehlgeburten.

„Auch wenn die Prävalenz einer wiederholten Fehlgeburt in der Allgemeinbevölkerung nicht sehr hoch ist, für die Frauen, die unter dem Verlust einer Schwangerschaft leiden, spielt dieser eine enorme Rolle“ Quenby et al., 2021; The Lancet, Miscarriage matters: the epidemiological, physical, psychological, and economic costs of early pregnancy loss

Auch wenn habituelle Aborte nicht sehr häufig sind, so stellen sie für die Betroffenen eineenorme Belastung dar. Dies gilt im besonderen Maße für Kinderwunschpaare!

Leider muss man sagen, dass meistens die Ursachen für einen habituellen Aborte nicht ersichtlich sind. Dies schränkt die therapeutischen Möglichkeiten stark ein.  Dennoch haben wir uns zum Ziel gesetzt mögliche Ursachen eines habituellen Abortes genau und nach evidenz-basierten Kriterien zu eruieren und mögliche Lösungswege aufzuzeigen. Unsere Diagnostikschwerpunkte basieren dabei auf den wirklich nachgewiesenen Ursachen eines habituellen Abortes – etwa möglichen chromosomalen Anomalien und anatomischen (erworbene oder angeborene Pathologien des Uterus und Pathologien des Endometriums) Ursachen und legen dabei besonderen Wert auf eine psychologische Betreuung. Im Rahmen unserer Beratungsgespräche führen wir bei wiederholten Fehlgeburten entsprechende diagnostische Maßnahmen durch und erarbeiten mit Ihnen mögliche Therapien zur Optimierung der folgenden Kinderwunschbehandlung.

Wiederholtes Implantationsversagen (RIF)

Als wiederholtes Implantationsversagen oder wiederholtes Einnistungsversagen (engl. recurrent implantation failure kurz RIF) bezeichnet man den Umstand einer mehrfach nicht eingetretenen Schwangerschaft nach Embryotransfer im Rahmen einer IVF-Behandlung.  Eine einheitliche Definition eines RIF existiert nicht. Meist spricht man von einem RIF, wenn eine Patientin nach mindestens drei problemlosen Embryotransfers mit qualitativ hochwertigen Embryonen nicht schwanger wird.  Dabei spielt es keine Rolle ob die Embryonen im Rahmen eines Frisch- oder Kryotransfers übertagen wurden.

Die Ursachen eines RIF können durch mögliche Defekte im Embryo bedingt sein oder auf uterine oder endometriale Pathologien zurückzuführen sein.

Mögliche uterine oder endometriale Ursachen:

Gerade in den letzten Jahren sind auch vermehrt Einnistungsstörungen eigentlich fertiler Paare nach Entbindung durch Kaiserschnitt (Sectio) zu beobachten (mehr unter Isthmozele).

Unter den gegebenen Umständen empfehlen wir eine diagnostische Hysteroskopiegegebenenfalls mit einer Endometriumbiopsie und anschliessender histologischer Analyse des Biopsates.

 

Embryonale Defekte:

Ein Einnistungsversagen kann auch aufgrund von chromosomalen oder genetischen Störungen im Embryo bedingt sein. Diese sind entweder neu entstandene (Defekte) oder vererbt, das heisst diese sind auf Störungen in den Keimzellen der Eltern, d.h. in der Eizelle oder im Sperma, zurückzuführen.

Wir können eine langjährige Erfahrung im Bereich der Blastozystenkultur vorweisen. Der Vorteil einer Blastozystenkultur ist ein natürlicher Selektionsprozess bis zum Tag 5 oder 6 der Embryonalentwicklung. Im Laufe der Entwicklung bleiben viele Embryonen aufgrund genetischer oder chromosomaler Störungen in ihrer Entwicklung stehen. Mit der Blastozystenkultur steigt die Chance möglichst «Implantationskompetente» und gesundeEmbryonen zu erhalten.

Bei nachgewiesenen vererbten genetischen Defekten kann unter Umständen eine Präimplantationsdiagnostik (PID) / Preimplantation genetic testing (PGT) durchgeführt werden, um gesunde Embryonen im Labor auszuwählen (siehe auch Genetische Untersuchung bei Kinderwunsch).

Je nach Diagnose und anderen individuellen Faktoren können auch andere Therapieoptionen in Betracht gezogen werden. Jedes Paar ist anders, damit ist auch eine individuelle medizinische Behandlung indiziert. Wir sind bemüht möglichst alle evidenz-basierten und sicheren Therapieoptionen auszuschöpfen, um Ihren Kinderwunsch zu erfüllen.